Entwicklungsschritte ins Jugendalter: Selbstständiges Urteil, gegründet auf realistischen Phänomenen
In den Pubertätsturbulenzen und in der Art und Weise, wie die seelische Fragilität durch den Unterricht bearbeitet wurde, erscheint der Lehrstoff der 8. Klasse wie die zusammenfassende Oktave aller acht Schuljahre. Von der Kindheit kommend, werden die Achtklässler zur Jugend übergehen, seelisch und leiblich gereift. Viele Lehrer hatten die Schüler über lange Zeit im Unterricht und staunen, wie sie sich entwickelt haben.
Das Eine oder Andere kann von den einzelnen Schuljahren aufgegriffen werden und durch ein Theaterspiel, Jahresarbeiten oder durch eine Abschlussfahrt gewürdigt werden: Für jede Schule feierliche Momente! Am Ende des 8. Schuljahres ist auf allen Gebieten des Künstlerischen, Naturwissenschaftlichen und Handwerklichen ein solides Fundament geschaffen, bei dem sich der Schüler stets als sinnvoller Teil in der Welt erlebt hat, da er sich stets anhand der Lerninhalte verstanden gefühlt hat.
Die Grammatikübungen verbinden das Erkennen der Fülle von Satzteilen, Nebensatzarten, Interpunktion und Objekten in verschiedenen Fällen mit der qualitativ erlebbaren Bildlichkeit der Sprache (in Form von Metaphern, Hebung durch poetische Begriffe, metaphorische Ausdrücke und Erzählstile). Hat der Achtklässler im 1. Schuljahr die bildhafte Einführung der Buchstaben erlebt, so handhabt er nun selber den künstlerischen Ausdruck durch die Bilder der Sprache. Schöpferische Kräfte setzt er dadurch frei.
Der Geschichtsunterricht soll thematisch bis in die Gegenwart führen. Etappen sind: kulturelle Entwicklung und industrielle Revolution (anhand der Dampfmaschine und des mechanischen Webstuhls), französische Revolution, Absolutismus, Menschenrechte und soziale Problemstellungen der Gesellschaft.
Acht Jahre Rechnen haben das Fundament gelegt für einen immer sicherer werdenden Umgang mit der Algebra. Hinzutretende neue Rechenarten sind die „Oktave“ des Multiplizierens und Teilens (Potenzieren, Radizieren) und das Rechnen mit negativen Zahlen. Auch bei den Gleichungen wird das gesamte Register von ganzen Zahlen, Brüchen, Klammern, Algebra und negativen Zahlen gezogen. Dabei werden die klaren Denkkräfte und die Flexibilität enorm geschult. Die Geometrie stellt das Wurzelziehen in ihren Dienst anhand des pythagoreischen Lehrsatzes mit dem Katheten- und Höhensatz.
In der Physik erhalten alle sechs bisherigen Teilgebiete ihre abschließende Krönung. Die Hydraulik ist nun das Hauptthema der Mechanik und führt an das Verständnis von Hoch- und Tiefdruckgebieten des Wetters heran. Die elektrische Klingel, Telegraphen- und Morseapparat, Relaisschaltungen und der Bau eines Elektromotors sind Höhepunkte in der Elektrizität.
Eiweiß, Fett, Stärke und Zucker werden in der Chemie nun nachgewiesen und die Herstellung von Kunstseide, Zucker, Seife und Papier besprochen, in Betrieben gegebenenfalls besichtigt oder selbst experimentell erprobt.
Die Anatomie beschäftigt sich mit dem Bewegungsapparat des Menschen, also Knochen- und Muskelmechanik, und dem inneren Bau des Auges. Welche architektonischen Kräfte besitzt doch der Mensch selber? – Durch künstlerische Zeichnungen (nur aus den Elementen der geraden und gebogenen Linie – auch ein Lerngebiet der 1. Klasse) kommt die Schönheit zum Vorschein und wird die dreigliedrige Gestalt wird nacherlebt.
Themen aus anderen Feldern fließen ein: Chemie, Physik, Ernährungslehre und wenn die Geografie alles weiterführt ins Kulturelle und Völkerkundliche, dann erlebt der 14-jährige eine Welt, die einheitlich ist, in der jedes Wesen seinen sinngebenden Platz hat, nicht zuletzt der Mensch.
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Mit der neuen Situation des Stimmbruchs tritt für das Singen in der Musik eine Schwierigkeit auf, die durch Balladen, die Suche nach der Wahrheit, die Themen Einsamkeit, Individualisierung und Tod aufgreift. Musikerbiographien verdeutlichen das Ringen um die menschliche Existenz in der Auseinandersetzung der Weltnöte und der Suche nach Idealen.
Die Eurythmie bringt alles Gelernte der acht Jahr zur Blüte, oft erlebbar in eigenen Choreographien musikalischer Variationen. Sprünge, starke Beugungen und Streckungen werden getätigt.
Das Turnen hilft bei der Schwereüberwindung mit Stütz- und Schwingübungen, Leichtathletik und Kugelstoßen. Gemeinsame Hand- und Basketballspiele sind ein Muss.
Die Handhabe einer Nähmaschine wird in der Handarbeit gelernt: sowohl der Mechanismus durchschaut als auch betrieben und über die Entstehungsgeschichte und die soziale Bedeutung gesprochen. An einfachen Nutzdingen werden gerade Nähte geübt (manchmal Turn- oder Handarbeitsbeutel für die Erstklässler) und später eigene Kleidungsstücke angefertigt. Auch das Stopfen, Flicken und Bügeln wird erprobt.
Im Gartenbau werden die Schüler in die Planungen miteinbezogen und sollen nun selber die Durchführung handhaben. Stauden werden vermehrt und der Garten als Ganzes immer mehr bearbeitet.
Im Werken geschieht ähnliches: etwas Sinnvolles soll ausgesucht und geschaffen werden, vielleicht mit leichten Hobelarbeiten.
Die Fremdsprachen, die seit der 1. Klasse begonnen wurden und zunächst in die fremde Klangwelt eintauchen ließen, lassen nun gedankliche Auseinandersetzungen anhand von Biografien, Texten zu Schicksalsfragen, Idealen und Menschenwürde zu. An der Syntax und Formenlehre wird geschliffen, sowie das Benutzen von Wörterbüchern erübt.
Das Sachzeichnen verbindet nun die Fülle der Farben mit dem räumlich Exakten der Perspektive: Gegenstände nach der Natur werden abgezeichnet, gerne auch technisch geformte Dinge mit großer Detailtreue. Geübt wird das Anfertigen von Kopien bedeutender Meister, z. B. Albrecht Dürers.